Prof. Dr. Kai Simons - Von Finnland nach Dresden
Der finnische Lipidomik-Pionier Prof. Dr. Kai Simons kam 2001 nach Dresden, um das neue Max-Planck-Institut für molekulare Zellbiologie und Genetik mit aufzubauen. Seitdem hat er in der sächsischen Landeshauptstadt seinen Forschungs- und Lebensmittelpunkt gefunden. Erfahren Sie, warum das so ist.
Herr Prof. Simons, Sie leben und arbeiten seit über 20 Jahren in Dresden. Was hat Sie hierher geführt?
In den 1990er Jahren beschloss die Max-Planck-Gesellschaft in Ostdeutschland neue Institute zu gründen, darunter eines für die molekulare Lebenswissenschaft. Ich war damals als Zellbiologe in Heidelberg tätig und bekam das Angebot, beim Aufbau mitzuwirken. Als Standorte waren zunächst Halle und Jena im Gespräch, doch mir erschien Dresden die bessere Wahl. Gerade hier sah ich die Chance, dass nicht nur ein Institut, sondern eine ganze Forschungslandschaft entstehen könnte. Biotechnologie war in Ostdeutschland komplettes Neuland und für mich eine spannende Herausforderung, die mich reizte.
Beim Aufbau des neuen Instituts waren Sie aber nicht allein.
Wir sind als Mannschaft angetreten, das war die Bedingung. Marino Zerial, Wieland Huttner, Anthony Hyman und ich hatten als Gründungsdirektoren ähnliche Vorstellungen, vor allem wollten wir statt getrennter Abteilungen eine Netzwerkstruktur schaffen, die auf Kommunikation und Nutzung von Synergien aufbaute. Eine wichtige Person in unserer Mannschaft war auch Ivan Baines, der als hervorragender Wissenschaftsadminstrator den Aufbau unterstützte.
Anfang 2001 wurde das Max-Planck-Institut für molekulare Zellbiologie und Genetik in Dresden-Johannstadt eröffnet. Wie hat es sich entwickelt?
Unser Institut wurde zur Keimzelle für die Life Sciences in Dresden und leistete einen entscheidenden Beitrag zur sächsischen Biotechnologie-Offensive. Sehr schnell entwickelte es große Anziehungskraft, weitere Forschungseinrichtungen siedelten sich im Umfeld an, neue Lehrstühle wurden geschaffen. Bund, Freistaat und auch die Stadt Dresden haben viel Geld in die Biowissenschaften investiert. Wie sich zeigt, mit Erfolg. Ohne das MPI-CBG wäre es nicht einfach gewesen, diese Stärke in der Forschung zu erreichen.
Was macht für Sie heute den Life-Sciences-Standort Sachsen aus?
Nach einer rasanten Entwicklung haben unsere Forschungen inzwischen Weltniveau erreicht und sind international anerkannt. Für die Exzellenzstrategie an der TU Dresden spielen Life Sciences eine zentrale Rolle. Besser zu sein, als andere gelingt aber nur in der Zusammenarbeit. Technische Universität, Universitätsklinikum, Max-Planck-, Fraunhofer- und Leibnitz-Institute, Helmholtz-Zentrum und andere Einrichtungen – sie alle bilden ein multidisziplinäres Miteinander und bieten hervorragende Forschungsbedingungen. Durch Förderung von Exzellenzclustern wie dem Zentrum für Regenerative Therapien Dresden (CRTD) und, ganz aktuell, zur „Physik des Lebens“ wird das weiter verstärkt. Diese Qualität zieht exzellente Wissenschaftler an, weil die besten Köpfe eben nur dorthin gehen, wo schon etwas vorhanden ist.
Wie wurde Ihre eigene wissenschaftliche Arbeit von dem Umfeld beeinflusst?
Mein Forschungsgebiet sind die Zellmembran und Lipide als deren wichtigste Bestandteile. In der Zellforschung wurde das Thema Lipide lange Zeit vernachlässigt. Wir haben in Dresden diese Nische besetzt, hier weltweit einzigartiges Know-how gebündelt und junge Forscher auf diesem Gebiet ausgebildet. Von dieser geballten Kompetenz profitiere ich auch bei meinen Forschungen.
Nach Ihrer Zeit am MPI-CBG blieben Sie in Dresden und gründeten hier mit fast 75 Jahren ein Unternehmen, die Lipotype GmbH.
Dresden war für mich und meinen Kollegen Andrej Shevchenko der richtige Ort für den Aufbau eines Lipidzentrums. Wer hier gründet, erhält mehr Aufmerksamkeit und hat bessere Chancen sich von anderen abzuheben, als etwa in Boston, wo ein viel größerer Wettbewerb herrscht. Der Biopolis Campus Dresden Johannstadt bietet ideale Bedingungen für Start-ups, für weiteres Wachstum sind allerdings neue Flächen nötig.
Was gefällt Ihnen an der Stadt selbst?
Ich lebe sehr gern in Dresden. In der Stadt ist viel Platz, die Umgebung ist schön. Auch Studenten und junge Forscher mit Familie und Kindern finden hier ein angenehmes und anregendes Umfeld.
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Der finnische Mediziner und Biochemiker Prof. Dr. Kai Lennart Simons, Jahrgang 1938, kam 2001 nach Dresden, um das neue Max-Planck-Institut für molekulare Zellbiologie und Genetik aufzubauen. Vorher war er als Wissenschaftler an die Universität Helsinki, der Rockefeller University in New York und am European Molecular Biology Laboratory (EMBL) in Heidelberg tätig. Für seine Beiträge zur Zellbiologie erhielt er zahlreiche Auszeichnungen. Seine jüngsten Forschungen konzentrieren sich auf die Organisation und Funktion von Zellmembranen. Hier etablierte er das Konzept der „Lipid Rafts“, zu Deutsch „Lipidflöße“ als Organisationsprinzip der Zellmembran.
Seit 2012 ist Kai Simons Geschäftsführer der von ihm gegründeten Biotechnologiefirma Lipotype GmbH in Dresden. Das Unternehmen arbeitet an der Weiterentwicklung der Lipidanalyse für klinische und industrielle Anwendungen. Kunden nutzen die Analyse-Dienstleistungen für die Entwicklung neuer Produkte u. a. in den Bereichen klinische Diagnostik und Medikamentenentwicklung.
--- Das Interview führte Inge Gerdes, freie Redakteurin aus Dresden, im Auftrag der Wirtschaftsförderung Sachsen GmbH. ---