Region Chemnitz: Wasserstoff in Hochform
Wasserstoff ist einer der wichtigsten Schlüssel für eine erfolgreiche Energie- und Mobilitätswende. – In der Technologieregion Chemnitz sind die Weichen dafür gestellt. Mit dem Wasserstoffzentrum HIC wird der Standort zu einem Vorreiter in Europa.
#Ready4Wasserstoff
Riesige weiße Stoffbanner verkündeten Ende August 2021 an der Chemnitzer Fraunhoferstraße: #Ready4Wasserstoff. Die Botschaft war auf fruchtbarem Boden ausgelegt. Wenige Tage später fiel die Entscheidung, dass Chemnitz ein Standort des nationalen deutschen Innovations- und Technologiezentrums für Wasserstofftechnologien wird. Auf einer Fläche von rund 37.000 Quadratmetern entsteht als zentraler Teil des erweiterten Chemnitzer Technologie-Campus das "HIC – Hydrogen and Mobility Innovation Center". Im Verbund der insgesamt vier Standorte in ganz Deutschland konzentriert sich das HIC auf Brennstoffzellen und den Antriebsstrang von wasserstoffbetriebenen Straßen- und Schienenfahrzeugen. Dafür wird eine Forschungs-, Test- und Zertifizierungsinfrastruktur für Brennstoffzellenstacks und -systeme sowie komplette Antriebe und Einzelkomponenten aufgebaut.
Vorreiter für Wasserstoff-Mobilität
„Das Testen, Zertifizieren und Normieren gehört zu den großen Herausforderungen, damit sich deutsche Unternehmen beim weltweiten Hochlauf der Wasserstoff-Technologien wettbewerbsfähig aufstellen. In Europa gibt es bisher noch keine Stelle, an der insbesondere mittelständische Unternehmen und Startups diese komplexen Aufgaben umfassend lösen können. Wir freuen uns, dass wir hier zum Vorreiter werden“, sagt Professor Thomas von Unwerth. Der heutige Direktor des Instituts für Automobilforschung an der TU Chemnitz und Vorstandsvorsitzende des HZwo e. V. folgte 2010 dem Ruf der Universität, um eine Professur für Alternative Fahrzeugantriebe mit einem Schwerpunkt auf Brennstoffzellen-Systeme aufzubauen. Nicht zuletzt aufgrund seiner Industrieerfahrung bei einem namhaften Automobilhersteller verbindet er die akademische Forschung eng mit den Anforderungen der Praxis. „Aus der Forschung schnell in die Anwendung zu kommen und Wertschöpfung in und für Sachsen aufzubauen, ist unser Ziel“, betont Professor von Unwerth.
HZwo & HIC
2017 hat Prof von Unwerth mit weiteren Partnern den Verein und sächsischen Innovationscluster HZwo initiiert. Hier arbeiten vorwiegend mittelständische Unternehmen sowie Forschungseinrichtungen gemeinsam in FuE-Vorhaben zusammen. Innerhalb der sächsischen Wasserstoff-Projektfamilie HZwo:FRAME haben sie seitdem Entwicklungen zu neuen Materialien, großserienfähigen Fertigungsverfahren und Regelstrategien für Brennstoffzellen-Stacks und Systemkomponenten wie Bipolarplatten, Luftverdichter, Kühlsysteme oder Wasserstofftanks vorangebracht. Die Ergebnisse können sich sowohl technisch als auch wirtschaftlich sehen lassen. So baut ein HZwo-Akteur eine Serienproduktion für Bipolarplatten und Stacks auf, die Ende 2022 in Betrieb geht, und erschließt damit ein neues Geschäftsfeld.
Mittlerweile hat das HZwo-Netzwerk mit dem Zuschlag für das HIC die nächste Stufe auf dem Weg zu einer führenden europäischen Region für Wasserstoff- und Brennstoffzellen-Technologien erklommen. „Unsere Mitglieder haben den Bedarf für ein Wasserstoff-Technologiezentrum bereits 2019 angezeigt. Jetzt müssen die gut erforschten Wasserstofftechnologien aus Sachsen schnellstmöglich zur Marktreife entwickelt und verfügbar gemacht werden. Das HIC ist unser dringendstes Projekt“, erläutert Karl Lötsch, Geschäftsführer des HZwo e. V. und HIC-Bündnissprecher.
Im Herbst 2021 starteten die Vorplanungen für die industrielle Forschungs-, Test- und Zertifizierungseinrichtung, die in Europa ihresgleichen sucht. Die Eröffnung soll 2025 stattfinden, im Jahr, in dem Chemnitz Kulturhauptstad Europas ist. Bis dahin werden Test- und Prüflabore für Brennstoffzellen-Systeme und -Komponenten, Funktionsmuster- und Prototypenwerkstätten sowie Wasserstoff-Aus- und Weiterbildungseinrichtungen für KMU, Startups, Entwickler, Zulieferer und Fahrzeughersteller entstehen. Hinzu kommt die direkte Anbindung an eine leistungsstarke Forschungs- und Industrie-Infrastruktur.
„Mit den Technischen Universitäten in Chemnitz und Dresden, den Fraunhofer-Instituten IWU und ENAS sowie den in der Region ansässigen Test- und Prüfdienstleistern verfügt das HIC über ein exzellentes Partnernetzwerk, dessen Wasserstoffexpertise und Innovationskraft das HIC so einzigartig machen“, erklärt Prof. Thomas von Unwerth. Gleiches trifft auf die Teststrecke für Schienenfahrzeuge auf dem nahen Smart Rail Connectivity Campus in Annaberg-Buchholz sowie auf das Testfeld für Straßenfahrzeuge auf dem Lausitzring zu.
Das HIC ist der Nukleus der Wasserstoff-Technologieregion Chemnitz. Sie hat den Status einer HyExperts-Modellregion im bundesweiten HyLand-Wettbewerb erhalten. Unternehmen, Hochschulen, Forschungseinrichtungen, Kommunen und Landkreise zwischen Freiberg und Plauen wollen gemeinsam eine Wasserstoffwirtschaft etablieren. Das Schlagwort hierfür heißt Sektorenkopplung. Es geht um das Erzeugen, Speichern und Transportieren von grünem Wasserstoff, der u. a. für Forschung, Mobilität, Intralogistik und Energiebereitstellung genutzt wird. Eine Vision dazu hat der Energieversorger eins, der auf der Fläche eines ehemaligen Gaswerks in Chemnitz Potenzial für die Entwicklung einer regionalen Wasserstoff-Drehscheibe sieht. Von dort aus könnte auch die Versorgung des HIC mit grünem Wasserstoff erfolgen, der für Forschungszwecke, Labor- und Fahrversuche gebraucht wird.
„Wasserstoff ist ein Zehnkämpfer“, umschreibt Prof. von Unwerth die Vielseitigkeit dieses Energieträgers und betont: „Er ist einer der wichtigsten Schlüssel für das Gelingen der Energie- und Mobilitätswende und Standortfaktor für das Hochtechnologieland Sachsen, ein wichtiger Teil für die Lösung vieler aktueller Probleme. Wir tun deshalb gut daran, alle CO2-neutralen Technologien weiterzuentwickeln und das Tempo zu forcieren. In Sachsen besitzen wir sehr gute Voraussetzungen dafür. Nutzen wir sie“, appelliert er für noch mehr Geschwindigkeit auf allen Ebenen.