"Wasserstoff-Labor" Ostsachsen
Die ostsächsische Region um Görlitz profiliert sich als europäischer Kompetenzstandort der noch jungen Wasserstoffökonomie. Leuchttürme dieser Entwicklung sind der von Siemens Energy initiierte „Innovationscampus Görlitz“ und das „Hydrogen Lab Görlitz“ von Fraunhofer.
„Zentraler Baustein für die künftige Energiebranche“
„Wir sind überzeugt, dass Wasserstofftechnologien ein zentraler Baustein für die künftige Energiebranche, die Rohstoffversorgung der Industrie und die Mobilität von morgen sein werden“, betont Dr.-Ing. Sylvia Schattauer vom Fraunhofer-Institut für Windenergiesysteme IWES, das zu den Akteuren dieses noch jungen Wachstumskerns in Görlitz gehört. „Wir wollen mit unseren Kompetenzen bezahlbare, sichere und umweltfreundliche Lösungen entwickeln und gemeinsam Unternehmen in die Lage versetzen, damit neue Märkte entlang der Wertschöpfungskette der beginnenden Wasserstoffwirtschaft zu erschließen. Das ist ein nachhaltiger Beitrag sowohl für den erfolgreichen Transformationsprozess und die Stärkung der Wirtschaftskraft in der Region als auch für einen intelligenten Klimaschutz.“
Beispiel Innovationscampus: Wo hochqualifizierte Arbeiter bereits seit über 100 Jahre lang Turbinen bauen, entsteht nun ergänzend eine „Kooperationsplattform für Dekarbonisierung, Digitalisierung und neue Fertigungstechnologien“. Dazu gehört der Coworking-Space „ENERGY“, der seit 2020 mit seinen Miet-Büroplätzen für kreative Köpfen auch temporäre Projekte unterstützt.
Rings um die traditionsreiche Turbinenfabrik haben sich weitere Firmen und Forschungseinrichtungen angesiedelt. Dazu gehören die Öko-Weichschaumstoff-Spezialisten von „eco-softfibre“, das Wasserstoff-Tech-Unternehmen „METALIQ“ und ein Teil des Lehrstuhls für Fahrzeugtechnik der TU Dresden.
Jüngstes Beispiel für eine erfolgreiche Ansiedlung ist „Deloitte“: Das internationale Wirtschaftsdienstleistungs-Unternehmen will von Görlitz aus Kunden vor allem aus dem öffentlichen Sektor dabei unterstützen, zukunftsweisende Digitalisierungsstrategien umzusetzen, neue informations- und sicherheitstechnologische Architekturen zu implementieren und Prozessabläufe zu analysieren.
Hydrogen Lab forscht an neuen Ansätzen für die komplette Wertschöpfungskette
Mit Fraunhofer hat sich auf dem Innovationscampus ein Schwergewicht der praxisnahen Industrieforschung auf dem Innovationscampus niedergelassen: Im Wasserstofftestzentrum („Hydrogen Lab Görlitz“) bündeln das Fraunhofer-Institut für Werkzeugmaschinen und Umformtechnik IWU und das Fraunhofer-Institut für Windenergiesysteme IWES ihre Kapazitäten in der Wasserstoff-Technologieentwicklung. Ab 2023 entwickeln und erproben hier rund 30 Forscherinnen und Forscher „entlang der gesamten Wasserstoff-Wertschöpfungskette“ neuartige technische Ansätze – von der Wasserstofferzeugung über die Speicherung bis hin zur Nutzung. Das Ziel ist, innovative Lösungen für großindustrielle Wasserstofftechnologien für stationäre Anlagen zu entwickeln. Die Anlagentechnik soll auf ein neues technologisches Niveau gehoben und serien- und marktreif gemacht werden. Dabei werden alle Systeme betrachtet, die sich heute vielfach noch im Protoypenstatus befinden.
Zum HLG gehören Elektrolyseure mit bis zu zwölf Megawatt Gesamtleistung, Testanlagen für mobile und stationäre Brennstoffzellen und weitere Infrastrukturen. Im Fokus stehen beispielsweise neue Werkstoffe, Konstruktionsprinzipien und Fertigungsmethoden für die Reaktorstapel („Stacks“) in Elektrolyseuren und Brennstoffzellen. Auch analysieren die Teams, von welchen Faktoren die Zuverlässigkeit und Lebensdauer solcher Systeme abhängen, wie sich Mikrostrukturen auf die Effizienz der Gesamtsysteme auswirken, welche Leistungselektronik in der Wasserstofftechnik gebraucht wird, wie sich Produktion und der laufende Betrieb digitalisieren und effizient zertifizieren lassen. Dabei kooperieren sie eng mit Siemens Energy.
Strukturwandel in einer traditionsreichen Energieregion
Freistaat Sachsen und Bund haben dem Labor über 42 Millionen Euro Anschubfinanzierung zugesagt. Diese öffentliche Unterstützung hat gute Gründe. Denn Görlitz hat das Potenzial, deutschlandweit und auch international Beispiele für den Wandel traditionsreicher Kohlereviere hin zu Zukunftstechnologien zu setzen.
„Die Lausitz ist und bleibt eine Energieregion. Sie ist heute noch geprägt durch die Braunkohle“, erklärt Institutsleiter Prof. Welf-Guntram Drossel vom Fraunhofer IWU. Fortschrittliche Wasserstoff-Technologien zu entwickeln sei da nicht nur eine Chance, einen umweltfreundlicheren Energieträger als die Braunkohle bereitzustellen: „Die Produktion von innovativen Systemkomponenten bietet darüber hinaus ein großes Potenzial für neue Wertschöpfung und hochwertige Arbeitsplätze in der Region. Den Unternehmen der Lausitz bietet sich die einmalige Chance, sich an die Spitze eines Technologiewandels zu setzen.“
Für die kommenden Jahre rechnen die Projektpartner vor Ort mit einer dynamischen Entwicklung des Standortes: Weitere Akteure der Wasserstoff-Wirtschaft und Forschung werden sich ansiedeln, insbesondere auch Start-ups aus diesem Technologiesektor. „Wir erwarten, dass sich mit dem Betrieb des Fraunhofer Wasserstofftestzentrums auf dem Siemens Energy Innovationscampus Görlitz ein zukunftsweisender Anlaufpunkt für regionale und überregionale H2 Akteure entwickelt und mit der Etablierung einer Forschungsplattform für Wasserstofftechnologien der H2-Technologiestandortes Görlitz weiterentwickelt“, so Siemens Energy.