Gallium-Recycling: Pilotprojekt in Sachsen gestartet

Am Standort des Halbleiterherstellers Freiberger Compound Materials (FCM) ist eine neuartige Pilotanlage zur Rückgewinnung von Gallium offiziell gestartet. Das Projekt soll Wege aufzeigen, wie kritische Rohstoffe künftig effizienter recycelt werden können.

Gallium ist ein strategisch wichtiges Element und Rückgrat der Halbleiterindustrie für Anwendungen der mobilen Datenübertragung und Optoelektronik. Es ist in Wafern (GaAs, GaN), elektronischen Chips oder optischen Bauelementen wie LEDs oder Lasern verbaut. Ein Kilogramm Gallium kostet aktuell etwa 1.000 Euro, Tendenz steigend. Bei der industriellen Verarbeitung geht ein beträchtlicher Teil des Rohstoffs bereits verloren, wenn etwa Ätz- oder Polierprozesse Material abtragen. Die Rückstände sind teilweise stark verdünnt oder das Gemisch chemisch komplex, sodass eine Rückgewinnung auf klassisch chemischem Weg schwer umzusetzen ist. Hier setzt die Forschung des Helmholtz-Instituts Freiberg für Ressourcentechnologie (HIF) des Helmholtz-Zentrums Dresden-Rossendorf (HZDR) an. Unter Anwendung eines biotechnologischen Verfahrens werden die Abwässer von Freiberger Compound Materials in einer Forschungsanlage im industriellen Maßstab aufbereitet und das Gallium zurückgewonnen.

Gallium gilt als ein kritischer Rohstoff, der sowohl für die Erschließung erneuerbarer Energiequellen als auch für die Entwicklung energieeffizienter Systeme essentiell ist. Um die Gallium-Verfügbarkeit für Hochtechnologien auch künftig sicherzustellen, braucht es effiziente Recycling-Technologien. Die biotechnologische Abteilung des HIF überträgt biochemische Prinzipien und biologische Funktionsträger auf völlig neue Anwendungen und verknüpft so Biotechnologie mit Ressourcentechnologie. Das Recycling von Metallen erfolgt mittels Biosorption, bei der Biomoleküle mit der Fähigkeit, an bestimmte Ionen oder Moleküle zu binden, die entscheidenden Reagenzien sind. Um Gallium aus Industrieabwässern zurückzugewinnen, haben sich Siderophore als geeignet erwiesen. Als Siderophore – griechisch „Eisenträger“ – wird eine Gruppe von rund 500 niedermolekularen Verbindungen bezeichnet, die sich durch die Bildung stabiler Komplexe mit Eisenionen auszeichnen. In der Natur werden sie von zahlreichen Bakterien, Pilzen und Pflanzenwurzeln gebildet, um Eisen aus der Umgebung aufnehmen zu können.

Federführender HIF-Wissenschaftler ist der Biochemieingenieur Dr. Rohan Jain: „Wir nutzen die metallbindende Eigenschaft der Siderophore, um Gallium(III)-Ionen aus den Industrieabwässern, wie sie bei der Produktion von GaAs-Wafern bei Freiberg Compound Materials entstehen, zurückzugewinnen. Für die Rückgewinnung des Galliums nutzen wir zwei verschiedene Siderophore. Mit einem patentierten Verfahren lösen wir das Gallium wieder von den Siderophoren, um beides erneut einsetzen zu können. Siderophore sind für uns ein perfektes, stabiles und umweltfreundliches Werkzeug.“ 

In den Untersuchungen bildeten die beiden genutzten Siderophore hochstabile Gallium-Siderophor-Komplexe. Dieses Ergebnis korreliert mit der beobachteten, hohen Selektivität der beiden Siderophore gegenüber Gallium. Tatsächlich konnte Gallium aus zwei verschiedenen Prozess-Abwässern der Wafer-Produktion zu 100 Prozent als Komplex gebunden werden. „Mittels verschiedener spektrometrischer Methoden (Infrarot und Kernresonanz) sowie Dichteberechnungen ermittelten wir, wie die Gallium(III)-Ionen komplexiert, also in einen Komplex eingebunden, werden: Um den Galliumkomplex aus dem Prozess-Abwasser abzutrennen, nutzen wir eine patentierte Trennmethode. Damit konnte das Gallium nahezu vollständig komplexiert und zu 95 Prozent als Siderophoren-Komplex zurückgewonnen werden. Wir konnten die Wiederverwendbarkeit der Siderophore in über zehn Zyklen ohne Funktionsverslust nachweisen“, beschreibt Jain den Verfahrensablauf.

Das Verfahren wurde erfolgreich im Labormaßstab mit zehn Litern Durchsatz pro Tag getestet, inzwischen bewältigt die Pilotanlage bereits 100 Liter pro Tag. Der weitere Pilottest wird beim Halbleiterhersteller Freiberger Compound Materials (FCM) GmbH durchgeführt. Am Firmensitz in Freiberg soll die Forschungsanlage bald 1.000 bis 2.000 Liter pro Tag bearbeiten. „Wir erwarten Aussagen zur Skalierbarkeit und zur Wirtschaftlichkeit des Verfahrens im industriellen Umfeld“, sagt FCM-Cheftechnologe Dr. Stefan Eichler. Bei Herstellungsfirmen der Hightech-Branche fallen typischerweise zwischen 10.000 und 300.000 Liter Abwässer pro Tag an. Im Bergbau sogar 20 Millionen Liter oder mehr. Allein im deutschen Hochtechnologie-Sektor ließen sich zwei bis fünf Tonnen Gallium pro Jahr durch Recycling aus Abwässern einsparen und damit die Abhängigkeit von Importen reduzieren.

Rohan Jain hat mit seinem Team bereits einen weiteren Meilenstein erreicht: ab 1. Oktober 2025 erhalten sie eine Ausgründungsförderung von Helmholtz Enterprise in Höhe von 230.000 Euro für den Zeitraum von etwas mehr als einem Jahr. Das Spin-off Programm der Helmholtz-Gemeinschaft finanziert den Aufbau des Gründungsteams sowie die Umsetzung des Gründungsprojekts. Begutachtet und ausgewählt wurde das SideroGaIn-Team von einer Jury bestehend aus Venture Capitalists und Wirtschaftsvertretern. „Mein Team und ich sind besonders dankbar, die Hochskalierung der Technologie und die vorkommerzielle Phase mit einem erfahrenen Industriepartner wie der Freiberger Compound Materials durchführen zu können“, freut sich Jain.