"Oberflächliche" Ideen aus Sachsen für das Flugzeug der Zukunft

Gleich zwei Forschungsteams aus Dresden veröffentlichten jüngst ihre Entwicklungen, die u. a. zur Verbesserung von Sicherheit und Effizienz im Luftverkehr beitragen können. Dabei geht es jeweils um neue Ansätze in der Behandlung von Oberflächen. Ein Team um Dr. Maria Barbosa vom Fraunhofer-Institut für Werkstoff- und Strahltechnik IWS hat eine neue keramische Hitzeschild-Technologie entwickelt, die bei Einsatz in Flugzeugturbinen den Kraftstoffverbrauch vermindert. Ein Nachwuchswissenschaftler der TU Dresden hat eine Oberflächen-Bearbeitungstechnik entwickelt, die die Vereisung z. B. in Flugzeugtriebwerken verzögern oder gar verhindern kann.

Hitzeschilde für sparsame Flugzeuge

Damit Flugzeuge sparsamer, umweltfreundlicher und robuster werden, haben Fraunhofer-Ingenieure aus Dresden eine neue keramische Hitzeschild-Technologie entwickelt. Dafür wird ein Pulver aus Yttrium-stabilisiertem Zirkoniumoxid (YSZ) mit Wasser zu einer Suspension angerührt. Mit diesem flüssigen Pulvergemisch lassen sich im Spritzverfahren schnell und preisgünstig Turbinenschaufeln und andere Flugzeugteile beschichten. Solche und ähnliche Schilde machen Flugzeugtriebwerke möglich, die weniger Kraftstoff verbrauchen und die Atmosphäre nicht so stark verschmutzen. Das Team um Dr. Maria Barbosa vom Fraunhofer-Institut für Werkstoff- und Strahltechnik IWS Dresden hat die neue Technologie inzwischen mit dem Schweizer Anlagenbauer AMT in die industrielle Praxis überführt. Die IWS-Forscher sehen für ihr Suspensionsspritzverfahren viel Potenzial in der Luft- und Raumfahrt, aber auch in der Halbleiterindustrie sowie vielen anderen Branchen.

»Damit werden hochwertige und langlebige Schutzschichten selbst auf großen Bauteilen möglich – zu vergleichsweise niedrigen Kosten«, betont IWS-Ingenieurin Dr. Barbosa. »Indem wir Suspensionen statt Pulver spritzen, können wir Werkstoffe mit sehr kleinen Partikeln einsetzen, die bisher nicht dafür geeignet waren.« 

Eine beschichtete Flugzeugturbine kann bei höheren Temperaturen arbeiten als ein unbeschichtetes Aggregat. So könnte sich die Betriebstemperatur einer Turbine mit der vom IWS entwickelten Lösung vergleichsweise kostengünstig um etwa 150 Grad anheben lassen. Dies erhöht ihren Wirkungsgrad, macht sie langlebiger und reduziert den Kühlaufwand. Unterm Strich sinkt der Kraftstoffverbrauch. »Auch die Umwelt wird weniger belastet, weil der Treibstoff in den verbesserten Triebwerken effizienter verbrennt, was den Kraftstoffverbrauch reduziert und entsprechend weniger Schadstoffe ausstößt«, schätzt Dr. Barbosa ein. Um einen weiteren Vorteil neuer Triebwerksbeschichtungen zu verstehen, lohnt sich eine Zeitreise ins Jahr 2010: Als damals der isländische Vulkan Eyjafjallajökull ausbrach, legte er den Flugverkehr in halb Europa lahm. Abgesehen von den Sichtproblemen durch die hochgeschleuderte Vulkanasche sorgten sich die Fluggesellschaften auch über mögliche Turbinenschäden. Denn diese Asche enthält, ähnlich wie der nicht minder schädliche Flugsand, sogenannte Calcium-Magnesium-Aluminium-Silicate (CMAS). Schmilzt dieses Material in einer ungeschützten Brennkammer, kann es erhebliche Schäden anrichten.

Eben gegen diese Schäden kann eine qualitativ hochwertige Zusatzschicht helfen, die nicht gleich wieder abplatzt. Auch darauf zielt das am IWS entwickelte Suspensionsspritzverfahren. »Für diesen Anwendungsfall arbeiten wir mit dem ,Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt’ und der TU Dresden zusammen«, berichtet Dr. Maria Barbosa. »Wir wollen gemeinsam eine ,Opferschicht’ entwickeln, damit Asche und Sand nicht gleich die Turbinenschaufel selbst angreifen können. Die Flugzeuge sollen dadurch auch nach einem Vulkanausbruch noch sicher ihr Ziel erreichen.« 

   

Nix hält mehr! Ingenieur der TU Dresden entwickelt wasser- und eisabweisende Oberfläche

Ein Nachwuchswissenschaftler der TU Dresden hat eine vollkommen wasser- und eisabweisende Oberfläche entwickelt. Dafür hat der Ingenieur eine Aluminiumplatte so mit einem Laser strukturiert, dass Wassertropfen und wasserähnliche Flüssigkeiten darauf nicht mehr halten (superhydrophob). Seit zwei Jahren forscht Stephan Milles an einer Oberflächenstruktur, auf der kein Tropfen mehr hält und die Vereisung stark verzögert ist. Dabei hat er sich von vornherein für Aluminium entschieden, weil es ein sehr industrienaher Werkstoff ist: „Wenn ein Flugzeug durch Wolken fliegt, hilft es schon, wenn die Vereisung von Tragflächen, Triebwerken und Sensorelementen um ein paar Sekunden verlangsamt wird.“ Auch die Rotorblätter von Windrädern, riesige Tanks für Flüssigkeiten der Lebensmittelindustrie oder Messgeräte bestehen aus Aluminium und reagieren sensibel auf Eis. Die Entwicklung des 28-Jährigen ist daher eine echte Alternative zu bisherigen Verbundwerkstoffen oder der Beschichtung von Oberflächen und bietet neue industrielle Möglichkeiten. Für die Strukturierung von Materialien sind nun keine zusätzlichen Chemikalien oder Reinraumbedingungen mehr notwendig.   

„Nicht alle wasserabweisenden Oberflächen sind gleichzeitig eisabweisend. Meine Struktur kann beides“, freut sich Milles. Um diesen Effekt zu erzielen, hat der Maschinenbauer eine komplexe Struktur mit einem bestimmten laserbasierten Verfahren aufgebracht - als Erster. Dabei hat er sich von der Natur inspirieren lassen. Der selbstreinigende Lotoseffekt, den man auch vom Schmetterlingsflügel kennt, basiert auf einer mikro- und nanostrukturierten Oberfläche. „Die große Herausforderung war, zunächst eine Struktur zu finden, die zehnmal kleiner ist als ein menschliches Haar und diese dann noch filigraner zu gravieren“, so der wissenschaftliche Mitarbeiter der Professur für Laserbasierte Methoden der großflächigen Oberflächenstrukturierung an der TU Dresden. 

Im Moment arbeitet Milles daran, Aluminiumplatten großflächig und wirtschaftlich bearbeiten zu können. Erst wenn ein Quadratmeter Aluminium in wenigen Minuten lasergraviert werden kann, wird das Verfahren spannend für die Industrie.