Nabelschnurzellen aus Dresden sollen Covid-19-Patienten helfen
Dresdner Zellen sollen Leben retten. Sie stammen aus dem Nabelschnurgewebe von gesunden Neugeborenen. In einer von der kanadischen Gesundheitsbehörde am 15. Mai 2020 genehmigten Studie wollen Wissenschaftler in Ottawa diese Dresdner Zellen nutzen, um schwer erkrankte Covid-19-Patienten zu therapieren.
Diesen Patienten droht aufgrund der vom Coronavirus ausgelösten aggressiven Entzündungsprozesse in der Lunge ein totales Versagen des Organs, oftmals verbunden mit einem Verschluss der Blutgefäße, einer Embolie. Dieses schwere Lungenversagen (ARDS) ist eine der häufigsten Todesursachen im Zusammenhang mit einer Covid-19-Erkrankung. Bis heute gibt es keinen Wirkstoff, der eine effektive Behandlung ermöglicht.
Kanadische Wissenschaftler wollen das jetzt ändern - mit Dresdner Hilfe. Eine Arbeitsgruppe vom Ottawa Health Research Institute hat den Wettlauf um die Durchführung einer Studie zu Wirksamkeit der Stammzellentherapie bei Covid-19-Patienten gewonnen. Die Phase-1-Studie soll zunächst mit zehn Probanden beginnen. Die Kanadier werden dafür Zellen aus Dresden erhalten - tiefgefroren und per Luftfracht.
Das Dresdner Forscherteam um Professor Mario Rüdiger hat am Zentrum für Regenerative Therapien Dresden (CRTD) ein neues Verfahren entwickelt und patentiert, bei dem die mesenchymalen Stromazellen (MSC) aus dem Nabelschnurgewebe von Säuglingen isoliert werden. „Unser Ziel war es, Lungengewebsschäden von Frühgeborenen mit Stammzellen zu behandeln“, so der Neonatologe Rüdiger. Ein entsprechendes Forschungsprojekt wurde vom Bundesministerium für Wirtschaft mit 1,4 Millionen Euro gefördert. Üblicherweise wurden die Stammzellen aus dem Knochenmark von Erwachsenen oder Nabelschnurblut von Neugeborenen gewonnen. Dabei handelte es sich aber oft um sehr alte und wenig teilungsfreudige Zellen, oder aber die Zahl der Stammzellen in der gesamten Gewebeprobe war sehr gering. „Mit unserem Verfahren können wir sehr junge Zellen in einer guten Qualität gewinnen und damit deutlich mehr Patienten in kürzerer Zeit helfen“, so Professor Rüdiger. Während bei dem gewöhnlichen Verfahren die entnommenen Stammzellen im Labor bis zu zehn Mal verdoppelt werden müssen, um einen einzigen Patienten zu therapieren, reicht bei dem Dresdner Zellmaterial eine Verdopplung, um parallel zehn Patienten zu behandeln. „Unser Ziel war dabei immer, die neuen Verfahren auch für die Therapie Erwachsener zugänglich zu machen“, sagt Professor Mario Rüdiger. Der Leiter des Fachbereiches Neonatologie und Pädiatrische Intensivmedizin an der Kinderklinik des Universitätsklinikums Dresden hat deshalb mit einer internationalen Gruppe aus Forschern und Klinikern die MASC-Collaboration gegründet. „Diese Zusammenarbeit ermöglicht es, diese hochpotenten Zellen in der Erwachsenenmedizin zu nutzen“ so Prof. Dr. Martin Bornhäuser, Direktor der Medizinischen Klinik I des Universitätsklinikums und Mitinitiator der MASC-Collaboration.
Die Dresdner Wissenschaftler der Medizinischen Fakultät machen sich dabei die entzündungshemmende und regenerierende Wirkung der Stromazellen zunutze. Patienten erhalten die Stammzellen über eine Infusion. Über die Blutbahn gelangen sie selbstständig zum Entzündungsherd. Dort stoppen sie zunächst die Immunreaktion, die im Falle einer schwer verlaufenden Corona-Erkrankung zu einem Zytokinsturm führen kann. Das Immunsystem des Patienten gerät so außer Kontrolle, dass eigenes Gewebe zerstört wird. Diesen Prozess können Stromazellen einbremsen. Parallel dazu fördern sie die Regeneration bereits entstandener Schäden am Gewebe. Bereits im Februar 2020 hatten chinesische Wissenschaftler nachgewiesen, dass der Einsatz mesenchymaler Stammzellen wirksam sein könnte und sich der Gesundheitszustand von Covid-19-Patienten deutlich verbessere.
Parallel zur Studie in Kanada hat die MASC-Collaboration zwei weitere aufeinander abgestimmte Studienprotokolle eingereicht und hofft auf Forschungsgelder. So sollen in Rotterdam und Dresden weitere Studien mit den Stammzellen an Covid-19-Patienten durchgeführt werden. „Es ist ein schönes Gefühl, das Ergebnis jahrelanger Forschung zu sehen und zu wissen, dass wir damit vielleicht ein Mittel in der Hand haben, welches das Versterben an Covid-19 verhindern kann“, so Professor Mario Rüdiger.
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